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Libanon Syrien Tour 2009
Als ich im Sommer 2008 zum ersten Mal nach Syrien einreiste war ich sofort begeistert von Land und Leuten. Gleich hinter der Grenze wurden wir angehalten, von der Straße gewunken und bekamen Tee serviert. Die arabische Gastfreundschaft war einfach atemberaubend und entgegen allen Berichten und Aussagen über Terroristen und Entführungen fing ich an mich von Tag zu Tag mehr für die arabische Kultur zu begeistern. Als nach 25 Tagen das Visum auslief und ich die Grenze in Deraa überquerte waren mein Fahrrad Jolene und ich uns sicher, dass wir sehr bald wieder zurückkehren werden in dieses großartige Land.
Ich hatte mittlerweilen mit meinem Reisefieber, den Bildern und den Erzählungen zu Hause meine ganze Familie und besonders meinen Vater für Wüsten und Arabien interessiert und so musste ich auch diesmal wieder nicht alleine reisen. Mit einem Alter von zusammen 72 Jahren waren wir bereit für dieses Abenteuer.
Nachdem nun auch die syrischen Besatzer aus dem Libanon abgezogen waren, wurde es mehr und mehr ruhig im Land und so wählten wir Beirut als Startpunkt unserer Reise. Nicht zuletzt auch wegen der sehr günstigen Flugverbindung von Berlin-Tegel. Unser Flieger, in dem wir die einzigen Touristen waren und um uns herum nur Libanesen, landete am 14. März in Beirut. Nachdem unsere Fahrräder ausgepackt, zusammengebaut und gecheckt waren, sollte es losgehen. Natürlichen hatten wir noch die schrecklichen Nachrichten und Bilder des langen libanesischen Bürgerkrieges im Kopf und wir waren uns auch überaus im Klaren darüber das es jederzeit wieder zu Anschlägen und Auseinandersetzungen kommen kann. Die Liste der möglichen Konflikte ist lang, insbesondere der zwischen der Hisbollah und Israel kann jederzeit explodieren. Ich bemerkte noch im Flughafengebäude einen englisch sprechenden Geschäftsmann mit dem ich wenig später ins Gespräch kam. Wir redeten unteranderem über die Sicherheitslage im Land. Er sagte einen Satz, der mehr als einleuchtend und irgendwie auch beruhigend war: „Assholes are everywhere“.
Über eine größer werdende Ausfallstraße fuhren wir hinein in das wirre Getümmel von Autos und LKWs. Vom Strßenrand bekamen wir Zurufe und freundliche Gesten gezeigt. Es gab keinen Anschein von Gefahr und so fühlten wir uns sofort sicher und wohl in diesem Land. Dennoch waren die Kriegsschäden an jeder Ecke zu sehen. Wir fuhren durch ein immer enger werdendes Meer aus Häusern. Die Straße schlängelte sich durch die Stadt. Dann plötzlich tauchte zwischen den Hochhäusern noch vor dem Mittelmeer die blaue Kuppel der Grand Mosque auf. Wir waren beeindruckt als wir unsere Räder am Platz der Märtyrer abstellten. Heute wirkt das rießige leere Areal total verlassen, es stehen kein Baum und kein Haus darauf. Lediglich die zerschossene Statue befindet sich noch in der Mitte des Platzes.
Vom Platz aus machten wir uns auf die Suche nach dem empfohlenen Hostel. Es war eine gute und preiswerte Möglichkeit in der Stadt zentrumnah zu übernachten. Da sich an fast jeder Kreuzung ein Militärposten oder Sicherheitspersonal befand, war es nicht schwer sich durchzufragen. Wir erreichten die Pension Al-Nazih in einer Nebenstraße unmittelbar am Platz der Märtyrer. Ich hatte ein paar Wochen zuvor eine Reservierung abgeschickt aber keine Antwort erhalten. Umso mehr war ich erstaunt das wir im Hostel registriert waren und man mit unserer Ankuft rechnete. Nach langen Diskusionen ob wir unsere Fahrräder mit aufs Zimmer nehmen dürfen oder nicht landeten diese schließlich im Hinterhof auf einer zerstörten Terasse. Uns war nicht ganz wohl zu Mute, aber wir hatten dieses Mal keine andere Wahl. Festgekettet und unter ein paar Brettern versteckt ließen wir die beiden draußen zurück.
Im Hostel selbst hatte sich eine ganze Menge, zum Teil merkwürdiger, Globetrotter eingefunden. Zum Beispiel gab es einen Typen aus Frankreich, der in Beirut ausharrte bis er die Erlaubnis der Regierung bekommen würde, über die geschlossene Grenze nach Israel zu laufen. Er wollte so seine Pilgereise nach Jerusalem fortsetzen und blockte, als ich ihn fragte warum er nicht einfach über Syrien und Jordanien einrreisen will. Auch ein UN Mitarbeiter aus Irland, welcher als Lehrer in dem Palästinenserlager nördlich von Tripolis arbeitet war unter den Gästen. Am Abend saß ich im Gemeinschaftsraum und füllte mein Tagebuch mit den Erlebnissen der ersten Tage. Da gesellte sich ein älterer Tourist zu mir und fing an einen Mix aus Deutsch und Englisch mit mir zu reden. Es war nicht zu überhören das er aus dem tiefsten Sachsen kam, was er aber auf meine Frage nach seiner Herkunft verneinte. Er komme aus Nürnberg war seine Antwort.
Wir machten am nächsten Tag einen Spaziergang durch die Stadt und folgten der Corniche bis zum Wahrzeichen Beiruts den Taubenfelsen. Dieser Bereich der Stadt war durch die Hisbollah kontrolliert und es war kein Libanesisches Militär zu sehen. Ansonsten war der Stadtteil auch wie alle anderen und wir fühlten uns sicher. Zurück am Märtyrer Platz mussten wir Fotomodell für eine Irakische Reisegruppe stehen die keine Deutschen hier im Libanon erwartet hatten. Wir gingen zum Abendbrot in die völlig neuerbaute Innenstadt, die nicht so recht zum Rest der Stadt passen will. Am Abend wird dieser Bereich aus Angst vor Anschlägen komplett abgeriegelt und ist so mit wie ausgestorben. Wir liefen also zurück zur großen Moschee und der Wärter empfängt, als er erfährt das wir Deutsche sind, uns mit gehobenen rechtem Arm und rief „Heil Hitler“. Etwas verdutzt sagten wir Hallo und besichtigten die Moschee. Als wir rauskamen sagte er uns, dass er Deutschland aus Zwei Gründen liebe. Der Eine war Michael Schuhmacher und der Zweite, wie nicht anders zu erwarten, Adolf Hitler. Wir ersparten uns weitere Diskusionen und gingen zurück zum Hostel.
Am nächsten Tag sollte es nun endlich hinausgehen aus der Stadt. Auf einer völlig verstopften Autobahn quälten wir uns weiter in Richtung Norden. Aus den Autos winkten uns viele Menschen zu und gaben uns Wasser und Müsliriegel. Unser erstes Ziel war Harissa, dem Zentrum der maronitischen Christen im Libanon. Auf diesem Berg befinden sich ein moderner maronitischer Kirchenneubau und eine schon von weitem sichtbare, übergroße Marienstatue. Unmittelbar daneben ist das imposante griechisch- katholischen Kloster zusehen.
An den Serpentinen bergauf zeigte sich das Training meines Vaters und so hing ich hinter ihm. Während er fast jeden Tag in den letzten 2 Monaten trainieren konnte, musste ich an meinem Schreibtisch sitzen und für die Prüfungen zum Semesterabschluss lernen. Die Serpentinen brachten uns teilweise steil bergauf. Im Dorf angekommen gingen wir zunächst auf das Gelände des orthodoxen Klosters. Ein Auto umkreiste uns und ein Mönch stieg aus und fragte uns ob wir die beiden Tourenradler aus Holland sind. Wir verneinten und fragten ihn ob wir unser Zelt auf dem Rasen neben der Kirche aufbauen könnten. Er sagte uns das dies kein Problem wäre, aber er würde gerne vorab nochmal seinen Chef fragen. Mit seiner Erlaubnis können wir sicher ein Zimmer im Kloster bekommen. Ich erinnerte mich sofort an mein Klostererlebnis in Spanien, als ich mit einem fanatischen Mönch fast eine geschlagene Stunde auf Spanisch beten musste. Dies sollte uns hier erspart bleiben. Er sagte er würde nun erst einmal nach Beirut fahren und wir machten uns eine Zeit aus wann wir ihn wieder treffen sollten. So hatten wir ein paar Stunden Zeit. Wir bestiegen das Maronitische Denkmal, von wo aus es einen fantastischen Blick aufs Mittelmeer und die libanesische Küste gab. Da unsere Räder sicher in den heiligen Mauern verwahrt waren, konnten wir einen Spaziergang durch das Dörfchen machen. Wir liefen zum höchsten Punkt, wo sich eine weitere Kirche befand. Eine ältere Frau sprach mich auf Französisch an und wir unterhielten kurz über die schöne Aussicht, bevor sie weiterging. Auf einer Bank genossen wir dann die untergehende Sonne als ein Auto mit Polizei- oder Militärangehörigen an uns vorbeituckerte. Schon weit an uns vorbei hörten wir wie das Auto stoppte und der Fahrer einmal quer durch das Getriebe rührte bis er den Rückwärtsgang fand. Wir dachten uns nicht viel dabei. Das Auto hielt neben uns und 4 Uniformierte stiegen aus. Ohne Hallo und mit wichtigem Beamtengesicht bekamen wir „Passport“ hingeworfen. Wir mussten doch ein wenig schmunzeln als sie so gar nichts mit unseren Dokumenten anfangen konnten. Wahrscheinlich konnten sie nicht einmal richtig lesen. Ich half ihnen dann ein bisschen nach und erklärte, dass wir Touristen aus Deutschland sind und im Kloster schlafen. Damit waren sie zufrieden und fuhren davon. Als sie um die Ecke waren konnten wir uns das Lachen nicht mehr verkneifen. Zu lustig war der Anblick der absuluten Unfähigkeit mit Visaeinträgen und Personeninformationen umzugehen. Vielleicht wollten sie uns aber auch nur Angst mit ihren Kalaschnikows machen, denn so eine Flinte gibt eben Macht und Wichtigkeit.
Zurück im Kloster trafen wir nach kurzer Zeit unseren Gastgeber wieder, er hatte mit seinem Chef gesprochen und wir konnten dort ohne Probleme übernachten. Wie in Klöstern üblich war das Zimmer sehr spartanisch eingerichtet aber völlig ausreichend für unsere Ansprüche. Am nächsten Morgen war gegen 5:30 Uhr die Nachtruhe vorbei und ein lautes Glockengeläute begann auf dem Flur. Wir mussten jedoch nicht mit zur Morgenmesse und so hatten wir noch 1,5 Stunden Zeit bis zum gemeinsamen Frühstück. Wir bedankten uns für seine Hilfe, ließen eine kleine Spende in der Kirche und machten uns wieder hinab auf die Küstenstraße. Dort waren es nur wenige Radkilometer bis nach Byblos.
Wir errichten noch am Vormittag die alte phönizische Hafenstadt mit der massiven Kreuzfahrerburg. Da der Campingplatz geschlossen war und wir uns unbedingt das sehenswerte Areal anschauen wollten, suchten wir ein Hotel. Am nächsten Morgen bezahlten wir unser Zimmer bei einer bildhübschen Libanesin und kauften auf dem kleinen Suq Proviant für unsere bevorstehende Bergetappe ein. Wir wollten ab Byblos in die Berge, endlich weg von der stark befahrenen Küstenstraße. Hinauf zu den Zederwäldern bei Les Cedres sollte es gehen und dann hinuter in die Bekaa Ebene. Gerade als wir los wollten sprach uns ein Mann an und fragte was wir vorhätten. Ich erzählte ihm, dass wir auf dem Weg in die Berge sind und über Bekaa nach Syrien wollten. Er fing an zu lachen und fragte uns ob wir Skier dabei hätten, damit wir auf der 2m tief verschneiten Straße weiter fahren könnten. Das hatten wir natürlich nicht und so mussten wir, wie so oft auf Reisen, um planen.
Wir ließen Byblos hinter uns und folgten der nun ruhigen Küstenstraße nach Norden. Die Landschaft wurde bergiger und die Hänge des Libanongebirge reichten fasst bis an die Küste. Wir fuhren einen kleinen Umweg um die große Autobahn zu umgehen. Auf der Straße selbst gab es so gut wie keinen Verkehr und keine Orte. Nur gelegentlich passierten wir schwer gesicherte Straßensperren, welche von Minenfeldern gesäumt waren. Nach Tripoli waren es nur noch 15 km und das Tal weitete sich wieder. Es ging eine kleine Steigung bergab. Noch im letzten Moment bemerkte ich bei ca. 40km/h, dass die Gullydeckel mitten auf der Straße fehlten und konnte nur knapp einem Sturz entgehen. Immer wieder fiel auf das selbst in unbeleuchteten Tunneln keine Deckel über der Kanalisation waren. Wahrscheinlich gestohlen um am Altmetall zu verdienen. Teilweiße waren diese mit großen Steinen oder Autoreifen markiert. Wir hatten also gelernt bergab im Libanon langsamer zu fahren und darauf zu achten das uns die Kanalisation nicht verschluckt.
Kurz vor der Stadt machten wir Rast an einem Obststand und ließen uns dort die Bananen schmeckten. Wir ruhten uns ein wenig im Schatten aus und plauderten mit dem Verkäufer. Das Auswärtige Amt hatte strengstens vor Tripoli gewarnt und auch in Beirut hörten wir so einige Gruselgeschichten. Wir fühlten uns am Tag dennoch sicher in der Stadt und ließen uns den arabischen Döner Shawarma schmecken. Ein Franzose erzählte uns wie schrecklich die Menschen in der Stadt aussehen, alle wie Verbrecher, wie aggressiv sie sind und und und. Wir hatten große Erwartungen an die Action Szene doch nichts passierte, keines dieser Klischees konnten wir finden. Das hier allerdings dennoch der Krieg nicht ganz vorüber war sahen wir an den vielen Panzern welche versteckt in den Nebengassen, angriffsbereit standen. Wir verließen am Nachmittag die Stadt nach Norden und erreichten bald das traurige Bild der Palästinensischen Flüchtlingslager. Viele Häuser waren total eingestürzt und überall gab es Soldaten mit Gewehren im Anschlag. Noch nie musste ich in so viele Gewehrläufe schauen wie dort.
Wir fuhren jetzt durch sehr fruchtbares Gebiet. Überall wuchsen Zitrusfrüchte in den schwer gesicherten Plantagen und es gab rießige Erdbeerfelder. Natürlich war das für uns ein schlechter Ort zum zelten und so mussten wir lange in Richtung syrische Grenze fahren, um einen geeigneten Platz zu finden. Die Sonne ging schon langsam unter, da fanden wir nach über 80km Tagesetappe eine verlassene Tankstelle. Der perfekte Zeltplatzt für die Nacht…dachten wir. Wir hatten es uns gerade ein bisschen bequem gemacht und warteten darauf, dass es dunkel wird und wir das Zelt aufbauen konnten. Da kam eine Gruppe Jugendlicher zu uns und fragten uns ob wir bei ihnen zuhause schlafen möchten. Eine Frage war es eigentlich nicht, denn meine Verneinung wurde komplett ignoriert. Wir wurden in den Innenhof geführt und der ganzen großen Familie vorgestellt. Sofort waren wir umzingelt von Kindern und fingen an zu erzählen und brav auf die Fragen zu antworten. Wir zeigten Bilder von zu Hause. Immer wieder passiert es mir in arabischen Ländern, dass ich gefragt werde wo denn der Rest der Familie auf den Bildern sei. Meistens kommt nur ein unverständnissvoller Blick zurück wenn sie erfahren dass die Familie auf dem Foto komplett ist. Die Jungen führten uns ein wenig im Dorf herum und mehr Jugendliche begleiteten uns. Wir bekamen Erdbeeren geschenkt und gingen im Dunkeln zurück zur Wohnung. In einer Männerrunde saßen wir im Schneidersitz auf dem Boden und redeten über Politik. Sehr stolz waren sie auf Hariri welcher 2005 in der Innenstadt von Beirut durch eine Bombe getötet wurde. Wir erfuhren unteranderem viel über das Libanesische Schulsystem und waren erstaunt über die hohe Bildung der Jugend. Nach dem wieder einmal, wie so oft im Libanon, der Strom ausfällt gingen alle schlafen. Während wir in den Betten der Jungen liegen durften, mussten sie auf dem Fußboden im Wohnzimmer schlafen. Alles Reden von bequemen Isomatten und Schlafsäcken half nichts, der Gast gehörte eben ins Bett und die Söhne auf den Fussboden.
Am nächsten morgen durfte mein Vater seinen Job als Zahnarzt richtig ausleben. Mit improvisierten Instrumenten wurde behandelt. Während ein Löffelrücken als Spiegel dient, hielt ich die Taschenlampe und sorgte für Licht. Danach wurde das Frühstück serviert. Wieder aßen nur die Männer im Wohnzimmer während die Frauen nur bis zur Tür bedienten. Den Rest erledigten die Jüngsten unter den Brüdern. Nach ausgiebigen Gesprächen über Hitler und die Hizbollah machten wir uns auf die letzten Kilometer zur Grenze. Nach dem libanesischen Grenzposten folgte ein breiter Streifen Niemandsland bevor die syrische Grenzabfertigung kam. Ich erinnerte mich an das erste mal als ich an dem türkisch-syrischen Überrgang stand und nicht wusste was mich erwarten wird. Nun war ich gar nicht aufgeregt und konnte alles schnell abwickeln. Wie so oft an Grenzen wurden unsere Pässe auf dem Weg mehrmals von verschiedenen Beamten kontrolliert. Ein letztes mal an einem Schlagbaum, dieser öffnete sich und nun waren wir in Syrien. Man merkt sofort dass man in Syrien ist. Die Leute sind noch freundlicher, grüßen aus Autos, halten an, Kinder laufen neben uns mit. Ich freute mich wieder in Syrien zu sein. Die Menschen hier verstehen zu lachen, besitzen viel Humor und fürchten den Tod nicht , schrieb schon Agatha Christie.
Wenn ich die Landschaft so betrachtete erkannte ich Syrien gar nicht wieder. Im Sommer zuvor bin ich durch die zentralen Wüstengebiete gefahren. Nun befanden wir uns in einem Meer aus Grün, bunten Blumen, darunter riesigen Mohnwiesen und blühenden Obstbäumen. Wir fuhren weiter auf einer kleinen sehr steilen Straße bis zum Krak de Chevalier (arab. Qalat al Hosn). Direkt hinter der Burg bauten wir das Zelt auf einer Wiese auf und ruhten uns den restlichen Tag in der Sonne aus. Am Abend genossen wir ein kühles Bier im Restaurant und trafen einen syrischen Kellner, der uns in schönstem berliner Deutsch bediente. Er arbeitete seit vielen Jahren in Deutschland, war kurz auf Heimatbesuch bei seinen Eltern und wurde prompt für 2 Jahren zum Militärdienst eingezogen. In ein paar Monaten wird er wieder zurückkehren nach Deutschland. Der nächste Morgen begegnete uns nicht so freundlich. Starker Regen setzte ein und so hauten wir uns nochmal aufs Ohr. Als uns der Rücken vom liegen weh tat, entschieden wir doch aufzustehen und besichtigten zunächst die gigantische Kreuzritterburg. Wir waren erstaunt, wie schonend sie restauriert war. Im Innern befanden sich große Gewölbe über mehrere Etagen. Man konnte alles besichtigen und mit ein wenig Fantasie, fühlte man sich in die Zeit der Kreuzfahrer versetzt. Seit ich diese Burg gesehen hab, kann mich in Europa ähnliches kaum noch faszinieren?. Den Abend verbrachten wir nach wiederholt ausgiebigem Schlaf. wegen des Regens im Restaurant mit unserem Berlin-Araber. Nachdem der Chef das Restaurant verlassen hatte holte der Typ eine Flasche Arak aus dem Schrank und schenkte uns große Gläser davon aus. Nach einem Glas war ichh fast nicht mehr in der Lage richtig zu reden und nach dem zweiten, waren wir froh, dass wir es gerade noch so ins Zelt geschafft hatten. Er verabschiedete uns mit einem verschwommenen „Ich trinke immer ganz viel davon“.
Ohne Kater fuhren wir am nächsten wieder hinab ins Tal und umrundeten die Burg, die hoch oben, von jeder Seite sichtbar, auf einem markanten Berg thronte. Auf einer sehr kleinen Straße ohne Wegweiser fuhren wir durch kleine idyllische Dörfer und durch wunderschöne Natur. Viele dieser Dörfer waren komplett von Christen besiedelt und dementsprechend sauber. Immer wieder überholte uns während des gesamten Tages das gleiche Gefährt, wartete in einem Feldweg und überholte uns wieder. Wir waren uns nicht sicher warum sie das taten. Waren sie neugierig oder wollten sie uns beschützen, oder war es eine Art Stasie? Bei einer Steinattacke von Kindern waren sie jedenfalls nicht präsent und ich vertrieb die Plagen mit einem Gegenangriff. Wir erreichten gegen Mittag einen 1000m Pass und verkrochen uns bei Eiseskälte hinter einer Hütte zum Mittagkochen. Von nun an ging es nur noch hinab ins Tal, wir bekamen in einem Dorf zwei Dosen Efes-Bier und genossen die letzten Sonnenstrahlen des Tages vor dem Zelt in einem Olivenhain.
Am nächsten Tag erreichten wir nach wenigen Kilometer Fahrt die kleine Stadt Masyaf, in der sich eine große Burg der Assassinen befindet welche umgangssprachlich auch als „Haschischfresser“ bezeichnet wurden. Die Burg war für mein Empfinden zu stark restauriert worden und der Fantasie wurde nicht mehr viel eigenes Denken übrig gelassen. Auch hatten wir die Ehrlichkeit der syrischen Bevölkerung zu stark provoziert. Wir ließen die Fahrräder für einen Moment unbeaufsichtigt vor der Burg stehen. Als wir zurück kamen, war die Luftpumpe von meinem Rad verschwunden und ich stink sauer. Es brauchte einige Zeit mich zu beruhigen und ich einsah, dass es unsere eigene Schuld war, so unvorsichtig zu sein. Zur Beruhigung gingen wir erst mal zum Mittagessen in die Stadt und kauften uns zwei Shawarma für umgerechnet zusammen 15 Cent. Das ließ allen Ärger vergessen, zumal der Dieb so loyal war, die Luftpumpe am Fahrrad meines Vaters nicht auch noch mitzunehmen. Gut gestärkt fuhren wir zügig bis nach Hama weiter, wo große Wasseräder stehen, die früher der Bewässerung der Felder dienten. Heute sind diese in einem fragwürdigen Zustand und dringend renovierungsbedürftig. Auch der berühmte und viel besungene Orontes ist hier in der Stadt eine einzige stinkende Kloake. In einem Internetkaffee verbringen wir etwas Zeit und telefonieren das erste Mal nach Hause. Bevor wir Stadt verließen, aßen wir ein leckeres Grillhähnchen mit viel Humus und Fladenbrot. Auf einer immer ruhiger werdenden Straße fuhren wir bis es schon fast dunkel wurde. Wir hatten gute Laune und die Beine wollten einfach nicht müde werden. Außerdem war es besser in dicht besiedeltem Gebiet nicht zu früh nach einem Schlafplatz zu suchen um unentdeckt zu bleiben. Hinter einem Haus bauten wir unser Zelt auf. Ein Mann hatte das beobachtet, kam zu uns und sagte das es ok wäre wenn wir hier blieben.
Das Wetter wurde zunächst besser, was ja auch logisch sein sollte, da wir heute in die syrische Wüste fahren würden. Wir machen uns zunächst auf in die Stadt Salamiha. Neben der Stadt liegt auf einem hohen Berg, markant, die Burg der Stadt. Auf einem kleinen Markt kauften wir Verpflegung für die anstehende Wüstenetappe ein. Der Obsthändler beschenkte uns reich mit vielen Äpfeln und gab uns Orangen, die wir gleich bei ihm am Marktstand aßen. Geld wollte er dafür nicht. So machte ich ein Foto von ihm, was ihn sehr freute. In der Stadt waren wir umzingelt von vielen Menschen die unsere Fahrräder begutachteten. Da es kein Wasser in Flaschen zu kaufen gab, fragten wir nach und schon rannten alle los und jeder hängte etwas anderes an unser Rad. Wir hatten nun viele Liter Wasser und nützliche Sachen. Als wir gerade losfahren wollte rannte noch ein Mann aus einem Laden auf uns zu und hängte uns Tüten mit einer Art Salat an den Lenker. Wir wusste nicht so richtig, was wir damit anfangen sollten und so verschenkten wir das Gemüse wieder an einen Mann auf einem Motorrad, welcher sich sehr freute. Viele kleine nichtssagende Straßendörfer folgten dann aufeinander. Dann kam er wieder dieser magsiche Moment, man lässt die letzten Häuser hinter sich, die Landschaft wird karger und nach einem Berg blickt man in die unendlichen Weiten der syrischen Wüste. Ruhig radelten wir im letzten Licht des Tages dahin und fanden hinter einem verlassenen Haus einen schönen Platz zu Zelten. Wir hatten uns was ganz tolles überlegt um das trockene Fladenbrot genüsslicher zu machen. Mit viel frischem Knoblauch und Schmelzkäse hatten wir eine neue Leidenschaft am Essen entdeckt. Wir waren uns schon darüber bewusst, dass unsere Wüstenpizzakreation nicht gerade Wohlgeruch um uns verbreitete. Dabei viel uns auf, dass sich keiner von uns richtig dran erinnern konnte, wann wir unsere letzte Dusche hatten.
Nach einer unruhigen Nacht mit teilweise sehr starken Windböen, wachten wir ziemlich früh auf. Nach einem ausgiebigen Frühstück, wieder Wüstenpizza, ging es hinein in tolle Welt der Wüstenlandschaften. Es war eine bergige Strecke und schon bald setzten der Regen und Wind wieder ein. Was für ein „Glück“ muss man haben in einer Wüste bei gefühlten Null Grad und Regen zu sein? Wir hatten alles an, was usnere Packtaschen hergaben und trotzdem war es unangenehm kalt. An einem Anstieg kamen wir fast an unsere Grenzen. Wir hatten so starken Seitenwind, dass wir die Räder nur im 45° Winkel fortbewegen konnten, um nicht einfach von der Straße geblasen zu werden. Ich hatte selten so einen starken Wind erlebt. Das Schimpfen ging sofort in ein Jubeln über als die Straße einen starken Knick nach Osten machte und wir diesen sau starken Wind plötzlich im Rücken hatten. Ohne Treten segelten wir in der Ebene mit über 50 km/h Spitzengeschwindigkeit dahin. Es war schon ein komisches Gefühl, im flachen Gelände, in Kurven bremsen zu müssen um nicht im Sand zu landen. Durch diesen starken Wind wurde aber auch sehr viel Sand aufgewirbelt, so dass wir die Hauptstraße nach Tadmur in einem ordentlichen Sandsturm erreichten. Nur mit Brille war es möglich wenigstens noch ein bisschen was zu sehen. Die letzten 40km fuhren wir in einer Stunde bis kurz vor Tadmur/Palmyra. Wie so oft wurden die letzten Kilometer des Tages zur Qual als sich die Straße zurück gegen den Wind bog und wir Sand und Wind von vorn links abbekamen. Wir brauchten fast eine Stunde für die letzten 5 km. Total eingestaubt wurden wir mit einem wunderschönen Blick über das grandiose Ruinenfeld der Stadt belohnt. Ich erinnerte mich noch an den Weg zu einem super Campingplatz in einem Palmengarten direkt hinter dem Baaltempel und so ließen wir den Abend nach 110km mit ausgiebigem Duschen und Wäschewaschen ausklingen. Die nächsten Tage verbrachten wir in der Stadt und besichtigten das große und sehr beeindruckende Ruinenfeld der alten römischen Karawanenstation. Es ist schon sehr interessant zu sehen, was die alten Römer dort an Steinen bewegt und aufgeschichtet haben. Auch in diesen Tempelanlagen, römischen Bädern, Kasernen, Wohnanlagen und Straßenzügen konnte man sich frei bewegen, ohne die aus Europa bekannten Absperrungen. Naja der Tourismus hält sich hier ja auch noch in engen Grenzen. Am nächsten Tag unternahmen wir eine Wüstenwanderung durch ein Tal, in dem mehrere Grabtürme standen. Auch diese Türme konnte man besteigen und sich alles ansehen. In einem der Türme fand sogar eine Führung statt. Abends genossen wir das „Stadtleben“ in den doch zahlreichen Gaststätten von Palmira. Auch die vielen Palmengärten, die ja der Stadt den Namen gaben, fanden wir interessant.
Wir verließen die Zivilisation auf der gleichen Straße, die ich auch im Sommer genommen hatte. Die ersten 30km hinter der Stadt waren kein Problem. Doch dann kam wieder Wind auf und hinter einer Polizeistation mussten wir aufgeben und verkrochen uns für die Nacht. Am nächsten morgen schien zunächst alles in Ordnung und wir waren frohen Mutes nach Damaskus weiter fahren zu können. Doch nach 10km war Schluss. Im Nachhinein ärgerten wir uns über die Entscheidung die wir als nächstes machten. Wir wollten mit dem Bus 100km mitfahren. Besser wäre gewesen wir wäre sehr früh aufgestanden und gefahren. Denn in der Nacht gab es keinen Wind. Dieser setzte erst mit der höher steigenden Sonne gegen 10 Uhr ein. Aber wir hatten uns nunmal entschieden. Die Busse wollten uns allerdings nicht mitnehmen und so hielten wir alles an was nur ging. Dann stoppte ein Mercedes Bus hinter uns und zwei junge Männer aus Dresden nahmen uns mit. Thomas und Hans waren auf dem Weg nach Jordanien um dort eine Tour mit ihren Motorrädern zu fahren. Wir unterhielten uns gut und bedankten uns als sie uns 100km weiter in Dumayr wieder absetzten. Von dort fuhren wir zurück in die Wüste, die nun wieder bergiger wurde. Ich hatte gelesen, dass es hinter dem Örtchen Djibrud einen Salzsee geben sollte und einen Ort der von der Bevölkerung als Stadt der Dämonen bezeichnet wurde. Wir hielten also gegen Mittag im Ort an einer Falafelbude an und aßen uns satt. Bezahlen mussten wir hier nicht. Es kommt selten vor das sich Touristen hierher verirren und umso größer war auch das Bestreben der Leute uns festzuhalten und von uns mehr über die Welt zu erfahren. Ein Mann mit dem ich mich in Französisch unterhalten konnte, brachte uns zum Zimmer des Bürgermeisters, von wo es kein entrinnen für uns gab. Wir fühlten uns wie Gott in Frankreich. Es gab reichlich Essen, Trinken und Wasserpfeifen. Natürlich mussten wir die Nacht hier verbringen und von Deutschland und der Welt erzählen. Ein älterer Mann setzte sich zu uns. Herr Baker hatte viele Jahre in Deutschland und der Schweiz als Lebensmittelingenieur gearbeitet und sprach fast akzentfrei Deutsch. Als wir erzählten, dass wir aus Thüringen sind, war die Freude groß. Er schwärmte von dem guten Bier und der Thüringer Rostbratwurst, was uns stolze Thüringer freute. Als Muslim störte ihn nicht einmal das Schweinefleisch in der Bratwurst. Lange Zeit saßen wir um den ölbefeuerten Kanonenofen in einer lustigen Männerrunde und genossen die Gastfreundschaft. Auf den Bänken direkt im Büro konnten wir dann auch gemütlich die Nacht verbringen. Am Morgen holte uns Herr Baker ab und lud uns zum Frühstück zu sich nach Hause ein. In der Wohnung entdeckten wir viele Möbel, die uns bekannt vorkamen. Es waren meist DDR Produkte. Nach einem ausgiebigen Frühstück verabschiedeten wir uns herzlich bei ihm und tauschten Adressen aus. Wir wollten jetzt den Salzsee überqueren, am anderen Ufer die Straße wieder finden und über einen Pass nach Maalula. Zunächst war eine gut befahrene Piste vorhanden und der Untergrund war wie Beton, doch die Spuren teilten sich schnell und die Piste wurde er immer weicher. Die letzten Kilometer zu den „Dämonen“ mussten wir die Räder schieben, da die Räder mindestens 5cm einsackten. Ein beeindruckendes Naturdenkmal emfängt uns. Tausende ca 4m hoher Sandhügel stehen über all in der Landschaft wie von einem Superkipper abgekippt umher und versperren den Weg und die Sicht. Manche sind weich, andere hart wie Stein und laden zum klettern ein. Wir verbringen eine ganze Zeit in dem Labyrinth und können uns nur durch besteigen der Hügel orientieren. Da von dort keine Piste wegführte mussten wir noch eine ganze Weile weiter schieben. Wir kämpften uns weiter in Richtung Süden und hofften bald wieder auf ein Spurenbündel zu treffen. Nach einer weiteren Stunde harter Schieberei, erreichten wir eine Spur. Mehr und mehrdieser Spuren liefen zusammen und bildeten eine befahrbare Piste, welche uns wieder auf Asphalt brachte. Im nächsten Ort kauften wir ein und fuhren durch militärisches Sperrgebiet einen Pass des Antilibanon hinauf. In einer Kehre wurden wir von 2 Soldaten mit Kalaschnikows in ihre Bude gewunken. Draußen war es ungemütlich und sehr windig. Somit kam uns die warme Bude mit Kamin gerade recht. Wir tranken Tee und unterhielten uns über Allah und die Welt. Es war eine lustige und gesellige Runde in der viel gelacht wurde. Zum Abschied fragten sie uns noch ob wir Alkohol dabei hätten. Leider konnten wir ihnen nichts anbieten und so setzten wir unsere Passfahrt fort. Auf der Höhe angekommen verabschiedete uns einer der Soldaten noch einmal. Er war uns mit seinem Motorrad gefolgt. Das Panorama auf der Höhe war wirklich beeindruckend. Nach Osten die große Salzebene, die wir noch vor zwei Stunden bei großer Hitze durchkämpft hatten und nach Westen blickend, sahen wir die weißen Gipfel des Antilibanon. Wir fuhren eine ruhige Straße entlang. Mehrere Militärkontrollen ließen uns mürrisch passieren. Nachdem wir noch von einem Auto voller Saudi Araber fotografiert wurden erreichten wir kurz vor der Dunkelheit den Ort Maalula. Die christliche Enklave liegt malerisch in den Berg gebaut, wo sie den Christen in Höhlen Schutz bot. Überall sind hell beleuchtete Kreuze auf den vielen Kirchen zu sehen, welche wiederum direkt neben Moscheen stehen. Eine eigenartige und doch beeindruckende Zusammenstellung.
Im Nonnenkloster der heiligen Thekla fanden wir schließlich ein Nachtquatier. Eine alte mürrische Nonne führte uns in ein Zimmer, dessen Decke der Fels bildete. Wir nahmen das Zimmer dankend an. Nach einer Dusche gingen wir noch einmal in den Ort, aßen eine Kleinigkeit und tranken ein kühles frisch gezapftes Bier. Erst am nächsten Tag begannen wir mit der Besichtigung. Wir liefen durch unser Kloster, in eine Höhle wo sich Pilger vor einer Figur auf den Boden warfen und wie in Trance beteten, sangen und sich mit heiligem Wasser, welches dort aus dem Fels tropfte, bekreuzigten. Weiter liefen wir durch die Theklaschlucht hinauf auf einen Felsen direkt über Maalula, von wo man eine klasse Aussicht auf das Dörfchen und den verschneiten Libanonberge hatte.
Von Maalula waren es nur noch wenige Kilometer hinunter nach Damaskus. Schon von oben sieht man die riesige Smogglocke über der Stadt hängen. Wir fahren auf einer stark befahrnen Straße immer bergab, durch nichtssagende Orte. Ich entdecke einen kleinen Jungen am Straßenrand und ehe ich mich versah warf er eine Essbesteckgabel nach mir. Allzuoft bin ich schon beworfen worden und jetzt war es einfach zu viel. Ich lehnte mein Rad unsanft an eine Hauswand und verfolge ihn, vorbei an applaudierendem Publikum, bis der Kleine in einem Hauseingang verschwand und ich, noch mit meiner Sonnenbrille auf der Nase, die Orientierung in dem düsteren Gebäude verlor und aufgeben musste … auf ein Neues.
Im dichten Stadtverkehr müssen wir öfter über 4 spurige Straßen wechseln. Doch außer einem kleinen Auffahrunfall meinerseits passierte nichts und wir erreichten die Altstadt unbeschadet. Dort lassen uns, wie mit unserem Gastgeber abgesprochen, vor der Ummayaden Moschee nieder und warten den ganzen Nachmittag. Auf der Mauer sitzend wurden wir von so vielen Menschen wie noch nie angesprochen. Viele Touristen aber auch Einheimische machten uns das Warten leichter. Am späten Nachmittag traf unser arabischer Freund dann endlich ein. Doch heute ist nicht unser Tag. Wie eine Taube kreisen wir um die Altstadt und immer mehr Ausreden von unserem Gastgeber warfen Zweifel am Ernst seiner Einladung auf. Um ihm weitere Ausreden zu ersparen, machte ich ihm den Vorschlag, uns bei der Suche einer preiswerten Unterkunft zu helfen. Sichtlich erleichtert willigte er ein. Nach einer halben Stunde bekamen wir ein Doppelzimmer für 5 Euro und alle waren zufrieden. Schnell verschwand nun auch unser arabischer Freund. (Vielleicht hat er eine böse Ehefrau und zuhause nicht viel zu melden, was auch in Arabien vorkommen soll.) Müde trugen wir unser Gepäck inklusive Räder die 5 Etagen nach oben. Eine lustige schwarze Putzfrau im Treppenaufgang entschädigte uns mit ihren Sprüchen auf gebrochenem Englisch dafür. Der Abend verlief ruhig und wir machten einen Bummel durch die Altstadt. Die nächsten 2 Tage galten der Erholung und es gab viel zu besichtigen in der Stadt. Am Grab des großen Saladin staunten wir darüber, dass selbst der deutsche Kaiser Wilhelm im Grabmal verewigt ist.
Wie immer hält es uns nicht lange in Städten. Während Touristen, die wir trafen, teilweise 4 Wochen und länger hier blieben, wollten wir so schnell wie möglich wieder hinaus. Wir packten also unsere Sachen und wurden beim Pförtner auf eine Geduldsprobe gestellt. Als er unsere Pässe kontrollierte ist er scheinbar überfordert. Beide haben wir einige Visa vom tiefsten Afrika, über den Vorderen Orient bis hin zum amerikanischen Kontinent gesammelt. Die galt es nun auszuwerten und unsere eigene Nationalität zu klären. Er fragt uns also nach unserem Heimatland. Deutschland, antworten wir. Eine Minute Schweigen auf beiden Seiten. Dann fragt er: „Amerika?“. Wieder Antworten wir „Almanya“. Er nickt, sieht mich an und sagt: „Almanya!“. Damit wäre meine Herkunft schon mal sicher. Nun ist mein Vater dran:“Kanada?“. Noch einmal versuchen wir ihm zu erklären, dass er zwei identische Pässe vor sich hält und wir beide aus Deutschland kämen. Er nickt und sagt „You Kanada and you Kanada?“. Nein verdammt“ Almanaya“. Ok nun begreift er, oder nicht? Langes schweigen. Mit verzweifelten Blick sieht er uns an und sagt: „You Kanada and you Almanya!“ Wir geben auf und stimmten zu. Ich bekomme meinen Pass zurück und versuche mich dem Geschehen etwas zu entziehen. Nun kämpft mein Vater alleine weiter. Der Pförtner sagt:“You not Kanada“ weißt auf den Reisepass und den Stempel der Botschaft in Berlin: „You Almanya, why you Kanada?“. Die totale Erschöpfung ist dem Mann ins Gesicht geschrieben. Er schein so schwach, dass er den Pass nicht mehr halten konnte und ließ ihn auf den Tresen fallen. Mein Vater nutzte die Gunst der Stunde, griff sich den Pass, saß mit einem Sprung auf dem Rad und unter:“ You Money Money“ –Schreien verließen wir die Altstadt und später auch die Stadtgrenzen von Damaskus.
Auf sehr ruhigen Straßen näherten wir uns der Grenze des Libanon. Wir wurden nur von einigen UN Fahrzeugen überholt. Nach einer Passhöhe und unserem Ausreisestempel von Syrien ging es lange bergab in die Bekaa-Ebene. Nach fast 10km war immer noch kein Grenzposten des Libanon zu sehen und wir wurden stutzig. Keine Autos keine Grenze? Doch schließlich erreichten wir den großen Militär und Polizei Posten. Da man nur am Flughafen kostenlos ein Visa bekommt, musste ich mich um neue Visa kümmern. Doch im Libanon ist alles super organisiert. Ich treffe einen österreichischen Soldaten und zusammen erledigten wir zügig die Grenzformalitäten. Wir waren zurück im Libanon. Schon nach wenigen Kilometern standen wir in der saftig grünen Bekaa Ebene. Nach 2 Wochen Wüste war das ein Fest für die Augen. Größer konnte der Kontrast nicht sein. Im Vordergrund blühten Kirsch und Mandelbäume, im Hintergrunde die schneebedeckten Berge des Libanongebirges, fast wie in einem breiten Alpental. Selbst die Kirchen fehlten nicht. Auf ruhigen Straßen ging es zwischen Gotteshäusern sämtlicher Konfessionen und Moscheen hindurch zu den Ausgrabungsstätten von Anjar. Wir besichtigten das Gelände und stellten fest, dass es den Ruinen in Palmyra nachempfunden ist. Sogar ein Mini „Tetrapylon“ gab es. Wir erstanden abends ein Bier und ließen uns in einer Grünanlage im Ort ungestört nieder. In dieser Hinsicht war der Libanon sehr unterschiedlich von Syrien. Während wir hier in Ruhe die Gedanken schweifen lassen konnten, wären wir in Syrien vom ganzen Dorf umzingelt und würden uns nach einer Stunde an einer großen Tafel im Kreis der Männer wiederfinden. Beides hatte seine Vor-und Nachteile und im Moment waren wir mit der Situation hier und heute zufrieden. Auf kleinen Seitenstraßen und vom täglichen „Shawarma“ gestärkt fuhren wir hinauf in von der Hisbollah kontrolliertes Gebiet. Das Auswärtige Amt hatte vor diesem Gebiet strengstens gewarnt, doch unsere gemischten Gefühle wurden schnell zerstreut. Auch wenn viele uns für ein bisschen verrückt erklären in so einem Gebiet ohne Schutz und ohne Auto unterwegs zu sein, so waren wir wenigstens nicht alleine verrückt. Wir treffen zwei Reiseradler aus Bayern. Auch sie fühlten sich nicht unbedingt unsicher. Die Menschen waren freundlich und aufgeschlossen und froh über jedes Gespräch mit ihnen. Wie schon mal am Anfang unserer Reise gesagt Assholes are everywehre und Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, das galt natürlich und insbesondere auch hier. Die Beiden waren schon viel im vorderen Orient unterwegs und wollten jetzt nach Damaskus und weiter nach Amman in Jordanien. Sie schwärmten besonders für den Iran und die Menschen dort. Das muss man doch mal ausprobieren(siehe nächste Reise). Wir tauschten Streckeninformationen aus und weiter gings.
Am Abend erreichten wir Baalbeck, eine schöne Stadt in der mittleren Bekaa Ebene. Gelbe Fahnen mit grüner Schrift und Kalaschnikow verwiesen uns auf die hier dominierende politische Partei. Nach ein wenig Suchen fanden wir eine nette und für die Lage ausgesprochen preiswerte Unterkunft. Der Betreiber ist ein Zahntechniker und so hab ich erst einmal Sendepause. Mein Vater ist Zahnarzt und die Fachmänner fachsimpeln über, Zähne, Gips, Kronenmaterial und Ofentemperaturen und Implantate. Der Techniker war sehr engagiert, kannte und verarbeitete Materialien deutscher Dentalfirmen. Ein netter Nachmittag ging zu Ende und den Abend verbrachten wir in den Gassen der Stadt. Eine Gruppe Wasserpfeife rauchender Männer ruft uns zu sich. Wir setzen uns neben sie und unterhalten uns französisch. Sie fragen viel über Deutschland und jeder kennt irgendjemanden der einen Cousin in Deutschland hat. Ich nehme einen tiefen Zug aus der Wasserpfeife, lasse ihn einige Zeit in meinen Lungen und atme aus. Wow. Ich höre von allen Seiten ein lautes Lachen und die Wörter “Haschisch, Cannabis“ usw. „Vater, lass uns mal weiter gehen“ sage ich und wir machen uns um eine Ecke wo ich mich hinsetze und meine Dosis abbaue. Man ist als Student einiges gewöhnt, doch das haut auch den strengsten Philosophie oder Sozialarbeitstudent um.
Am nächsten Tag schauten wir uns das umwerfende Ruinengelände, welches unter anderem den Baal Tempel enthält, an. Nur wenige, zumeist einheimische Touristen tummelten sich in dem Ruinenfeld. Uns faszinierten die gigantischen Säulen und Steinquader. Man kann sich einfach nicht vorstellen, dass diese von Menschen mit den damaligen Mitteln über einige Kilometer hier her transportiert und so exakt verbaut worden waren. Eine Libanesische Schulklasse sang ein Lied unter der Gedenktafel an unseren Kaiser Wilhelm, der die Ausgrabungen hier angeregt und finanziert hatte. Wir freuten uns über die „Reise des Kaiserehepaares ins Heilige Land“. Auch in dem angeschlossenen Museum gab es viel Interessantes zu sehen und zu lesen.
Leider mussten wir die Stadt wieder nach Süden verlassen. Der Pass zu „Los Cédras“ war immer noch wegen Schnee gesperrt. Da der weitere Weg in Richtung Beirut ging, benutzten wir den Pass Dahr Al Baidar um das Libanongebirge zu überqueren. Einige letzte Tage verbrachten wir im Schuf-Gebirge, wanderten ein wenig und fuhren ins Gebirge bis zum Schnee und zu den Zedern hinauf. Die alten Zedern, der Nationalbaum des Libanon, sahen dort im Schnee schon imposant aus. Eine Grundschulklasse tummelte sich auch unter den Bäumen im Schnee. Wir unterhalten uns mit den jungen Lehrerinnen über die Zukunft des Landes. Erstaunt sind wir über die Fremdsprachenkenntnisse der Kinder. Kleine Unterhaltungen waren in englischer und auch in französischer Sprache möglich. In den mehrheitlich von Drusen bewohnten Bergen, sind die Spuren des Bürgerkriegs noch deutlich zu sehen. Die Stimmung schien uns sowohl in christlichen als auch von Drusen bewohnten Orten etwas gedrückt zu sein. Es kamen kaum Gespräche mit der Bevölkerung zustande. Die Leute wirkten irgendwie reserviert.
Auch die tollste Reise geht einmal zu Ende und wir müssen zurück nach Beirut, möglichst nahe an den Flughafen. Dort brauchten wir Verpackungsmaterial für die Räder. Etwa 10 km südlich des Flughafens fanden wir ein vom Bürgerkrieg gezeichnetes Hotel, in dem wir günstig unterkamen. Die Südvorstadt von Beirut gilt nicht gerade als das sicherste Gebiet. Neben dem Hotel befand sich ein Militärposten, Panzer und schwer bewaffnete Soldaten. Doch das Hotel liegt direkt am Meer und obwohl es sicher schon bessere Zeiten gehabt hat, ist es ganz angenehm dort. Es gab ein paar Reisende aus verschiedenen Ländern, die aus unterschiedlichen Gründen in Beirut weilten. Wir saßen in einer tollen internationalen Runde, rauchten eine Shisha und redeten über so alles was man sich denken kann. Hier war Sarina, eine junge Studentin aus dem Iran, die an der amerikanischen Universität in Beirut Chemie studierte, ein chinesischer Geschäftsmann, ein syrischer Arbeiter, 2 Touristen aus Abu Dhabi und einige mehr. Beim Sonnenuntergang versammelten sich alle auf der Terrasse am Meer und jeder erzählte seine ganz eigene Geschichte. Auch wir erzählten unsere Erlebnisse der letzten Wochen und ein bisschen ungläubiges Staunen kam uns entgegen. Zusammen schauten wir uns an, wie die Sonne im Meer unterging.
Ende!